Der Wild Atlantic Way (WAW) – mit über 2600 km Länge eine der längsten ausgewiesenen Küstenstraßen der Welt – schlängelt sich entlang der irischen Westküste von der Halbinsel Inishowen im Norden des County Donegals bis ins Küstenstädtchen Kinsale im Süden des County Cork. Die Route führt durch eine von der Naturgewalt des Ozeans geformte Küstenlandschaft, deren landschaftliche Schönheit und Vielfalt einzigartig ist. Bezaubernde kleine Orte, die sich an die Küste schmiegen und uralte Monumente, deren Ursprung sich im Nebel der Zeit verlieren, säumen den Weg. Hinter jeder Wegbiegung dieser magischen Küstenstraße wartet ein neues Abenteuer…
So wird der WAW auf der offiziellen Homepage angepriesen und natürlich hat es uns gepackt. Das Abenteuer wollten wir wagen!
Positiv zu dieser imposanten Beschreibung kam für uns noch dazu, dass der Wild Atlantic Way die meisten Sehenswürdigkeiten und größeren Städte wie Galway miteinander verbindet.
Wir entschieden uns, da wir nach Irland noch Schottland bereisen wollten, den Weg „rückwärts“, also von Süd nach Nord zu fahren, was sich als absolut richtige Entscheidung herausgestellt hat. Landschaftlich wird es nach Norden hin immer spektakulärer.
Wir machten uns also auf zum Südende, dem kleinen beschaulichen Fischernest Kinsale.
Dort begannen wir das Abenteuer Wild Atlantic Way und fanden 200 km später unseren ersten freien Stellplatz direkt am Meer, geschützt von Dünen! Die Nacht war stürmisch, das Auto, trotz seiner fast 3 Tonnen wog im Wind hin und her, wir hatten das Gefühl, zurück auf der Fähre zu sein. Aber es war eine einmalige Erfahrung, morgens aus dem Auto zu klettern und direkt das Meer vor Augen zu haben!
Die meisten Streckenabschnitte des WAW sind Singletracks, also einspurige Wege, an denen nur mit Mühe zwei Autos an einander vorbeikommen. Erschwerend kommt noch hinzu, dass es eine scheinbare seitliche Begrenzung durch dichtes Gebüsch gibt. Wer dem Trugschluss aufliegt, er könne die Streckenbreite etwas ausweiten, merkt schnell, dass sich unter dem Gestrüpp eine massive Mauer verbirgt, die sich meistens die gesamte Länge des Weges erstreckt. Wir hätten auch fast den Fehler gemacht, zu weit auszuweichen, es bremste uns lediglich unser Rammschutz und verhinderte Schlimmeres an der Karosserie.
Viele Streckenabschnitte werden überwiegend von Landwirten genutzt, es kann gut passieren, dass einem dann auch mal ein Traktor von den Ausmaßen eines Einfamilienhauses entgegen kommt, mit einem noch viel größeren Anhänger. Dann heißt es für das kleinere Fahrzeug rückwärts fahren, bis zur nächsten Haltebucht, die dann auch mal 300 Meter hinter einem liegen kann. Vorteil für uns, im normalen Verkehr sind wir immer das größere Auto und haben somit Vorrecht auf Fahrt.
Faszinierend ist auch die Beschilderung auf dem WAW, bzw. im gesamten Irland.
Wir folgen überwiegend den Schildern mit einer weißen Welle die die Buchstaben WAW formen auf blauem Grund, dem offiziellen Logo des Ways. Diese Schilder stehen entlang der gesamten Strecke und sind mit einem geklammerten (N) für nordwärts und (S) für südwärts markiert. Wer auch immer die Schilder aufgestellt hat, war wohl manchmal zu oft im Pub versackt, denn mal zeigen (N)-Schilder in die eine Richtung, an der nächsten Kreuzung wieder in die andere, mal wechseln sich (S) und (N) hintereinander ab… aber irgendwie findet man dann doch seinen Weg.
Aber witzigerweise sagen das sogar die Einheimischen, denn wir hatten auf einen Platz eine Familie, die mit dem Rad eine Rundfahrt gemacht hatten. Sie folgten dem Schild Richtung Stadt, das auswies, es seien noch 8 km. Das nächste zeigte dann 4, das Darauffolgende 2. Als sie an eine T-Kreuzung kamen, zeigte das Schild wieder 5 km. Ihre einzige Aussage: That’s irish…
Nach drei Tagen auf dem WAW, in denen wir uns über die abenteuerlichsten Straßen (wenn man sie so nennen kann) gequält haben, erreichten wir den Südzipfel der Halbinsel Kerry. Unterwegs begegneten uns schlaglochübersäte Waldwege, Straßen mit Steigungen jenseits der 15 Grad und durch Regen überschwemmte Kurven in denen das Wasser 30 cm hoch stand. Natürlich gab es auch Teile der Strecke, die an eine heimische Bundesstraße heran kommen, die sind aber genauso spärlich gesät, wie Supermärkte. Auf einem kleinen Campground in der Nähe von Kenmare entschieden wir, auch auf anraten vieler anderer Camper, dass wir den berühmten Ring of Kerry und den darüberliegenden Dingle auslassen wollten, da dort der Touristenandrang enorm sei und sich die Busse aneinander die Küste hinunterschieben würden. Wenn man dann nordwärts unterwegs wäre, hätte man keinen Spaß (kleineres Auto und so…). Außerdem gäbe es schönere Küstenabschnitte, die touristisch weniger besucht, aber dafür mit hervorragenden Stellplätzen für die Nächte aufwarten würden. Der Rat sollte sich als goldrichtig herausstellen!
Wir kürzten also den Ring of Kerry durchs Landesinnere ab, einem Tipp von Christian und Andrea aus der Schweiz folgend, die uns von einem Motorradfahrer berichteten, von dem sie wiederum den Tipp hatten… Hört sich kompliziert an, ist es aber nicht. Wir trafen die Beiden auf einem Campground in Glengarriff. Sie waren zu dem Zeitpunkt auf der gleichen Route wie wir mit einem türkisenen VW Bully T1 unterwegs, und haben den Motorradfahrer eine Nacht zuvor kennengelernt und von ihm erfahren, dass es einen Pass gibt, der den Ring of Kerry abkürzt, landschaftlich aber alles in den Schatten stelle, was er bisher gesehen hätte! Sie sollten ihn aber nicht fahren, da der 1600er Motor des Bully die Steigungen kaum schaffen würde. Sie umfuhren den Pass, wir nahmen ihn.
Und der Biker hatte nicht zu viel versprochen, es war eine traumhafte Fahrt durch die Berge des Kerry.
Man könnte jetzt seitenweise von der Landschaft schwärmen, aber es gibt eigentlich nur eins zu sagen. Wir waren so beeindruckt, dass wir lieber geschaut wie fotografiert haben. Und das sollte jedem der uns kennt als Aussage genügen.
Aber um doch ein paar Worte über die Umgebung am Wild Atlantic Way zu verlieren:
Es wechselt gefühlt hinter jeder Kurve die Szenerie, eine beeindruckender als die davor, uns stockte teilweise der Atem, wenn wir wieder über eine Kuppe oder einen Hügel kamen, und sich eine neue gigantische Landschaft vor uns ausbreitete. Jeder Tag und jeder Kilometer eröffnet neue faszinierende Emotionen, die man in seinem Leben nie wieder vergisst. Irland ist landschaftlich gesehen, und da sind wir uns einig, das imposanteste und schönste, dass wir auf all unseren Reisen bisher gesehen haben.
So schlängelten wir uns Tag für Tag die Küste empor Richtung Norden, mal schneller, mal blieben wir drei Nächte auf ein und dem selben Campground, einfach weil er uns gefiel! Wir möchten jetzt auch eben diesen Campingplatz lobend erwähnen, denn auf all unseren Reisen, ist uns nichts Vergleichbares untergekommen.
Der Strandcamping in Doonbeg, geführt von Amanda und Jamie ist ein schon fast winziger Platz mit gerade einmal 10 Stellplätzen. Aber genau das macht den Charme des Ganzen aus, die Beiden sind Engel, immer da, immer freundlich, immer für einen Plausch zu haben.
WiFi und Duschen sind inklusive, soviel und solange man will. Aber das Beste sind die sanitären Einrichtungen, an Sauberkeit NICHT zu übertreffen, super gepflegt und auf dem neuesten Stand! Und das allerbeste! Im Preisvergleich zu allen anderen sogar noch günstiger! Da blieben wir gerne und genossen die entspannte Atmosphäre. Nochmal vielen Dank an die Beiden!
Was auch noch an alle Offroader gerichtet zu erwähnen wäre: Wir dachten, Afrika sei das Land der Land Cruiser und Pick Ups, aber nein! Es ist Irland. Nirgends haben wir mehr Geländewagen der Firma Toyota gesehen als hier! Hier muss wohl mal ein Schiff aus Japan kommend auf Grund gelaufen sein und jeder hat sich so viel geschnappt, wie er wegschaffen konnte! Anders ist es nicht zu erklären, außer dass Toyota einen geheimen Deal mit der irischen Regierung gemacht hat… Wer weiß…
Mit einem Blick auf die gefühlt kilometerlange Reihe stehender Busse, die nur darauf warteten ihren touristischen Inhalt auf den eh schon maßlos überfüllten Parkplatz zu ergießen, ließen wir die Cliffs of Moher, einem der berühmtesten Wahrzeichen Irlands spontan links liegen und folgten damit wieder einem Tipp eines einheimischen Campers, der uns sagte, wir sollten lieber weiter in die kleine Stadt Doolin Pier fahren, dort wäre ein Parkplatz, von dem man die Klippen genauso sehen könne. Bloß halt eben von unten, was sie noch beeindruckender machte, und nicht von oben, wie jeder andere Tourist auch.
Und uns wurde nicht zu viel versprochen!
Wir erklommen weiter die Küste, bis wir den (mittlerweile) berühmten Küstenort Galway erreichten. Zu dem Touristenmagnet wurde es erst, sein Ed Sheeran’s Galway-Girl die Charts stürmte und dem Ort zu unverhofftem Ruhm verhalf. Aber auch wir folgten dem Drang und auf Dauerschleife lief das besagte Lied, als wir in die Stadt einfuhren.
Eine wunderschöne Küstenstadt, gepflegt und sauber, ein Ort zum bummeln, oder in einem Pub ein Guiness oder in einem Cafe einen Irish Coffee zu trinken. Auch unsere Tochter erkundete die Stadt mit uns aus ihrem Tragetuch heraus, als wir durch die Straßen zogen, ein paar Kleinigkeiten kauften und uns einfach durch die kleinen Gassen treiben ließen. Wir genossen die Zeit dort, immer mit Galway-Girl im Kopf, denn wir hatten beide längst den Ohrwurm des Jahrhunderts… Leider war sie viel zu schnell vorbei, denn ungefähr eine Stunde nach dem wir eingetroffen waren, begann es zu regnen (und wir reden von echtem Regen!), der bis zum nächsten morgen anhalten sollte. Wir zogen noch durch ein paar Straßen, bis wir bis auf die Knochen durchnässt waren, dann gingen wir zurück zum Auto und wir machten uns weiter auf den Weg die Küste hinauf.