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Tag 3 – Johannesburg (01.03.2011)

Soweto, größtes Township in Südafrika, eine Stadt in der Stadt, mit eigenen Regeln, eigenen Gesetzen…

Um halb 9 kam uns unser heutiger Guide abholen. Ein Typ, wie er verrückter nicht sein könnte… Barfuß, mit Ketten an den Handgelenken und einem Baumwollhemd mit afrikanischen Mustern versehen, stand er vor unserem Guesthouse und wartete auf uns. Übrigens war er weiß, was uns sehr verwunderte, da Soweto nicht unbedingt etwas für Weiße ist… Mit schlingerndem Akzent, und ich könnte schwören, er war zugedröhnt bis über beide Ohren, erzählte er uns von der Geschichte Sowetos, den Bewohnern und dass wir einen Tag erleben, den wir niemals vergessen würden. Der Typ quatschte pausenlos auf uns ein: Dass er mal in Soweto gelebt habe, die Bewohner und er einer Community angehörten, bla bla bla…Insgeheim dachten wir, er müsse erst einmal unseren Trip vom Vortag toppen und die Kaffeefahrt hier wäre ein Witz dagegen.

Aber weit gefehlt!

Er fuhr uns mitten ins Herz Sowetos, stellte sein Auto ab und bat uns auszusteigen.

Auf den ersten Blick waren unsere Erwartungen jetzt schon verfehlt, denn die Häuser, teils aus Stein, teils aus Wellblech, waren gepflegt, so wie der Rest der Umgebung.

Day3_Soweto_4Er führte uns an einem Steinhaus vorbei in einen Hinterhof, der umgeben war von Wellblechhütten vor denen zwei Männer mit Kronkorken Dame spielten. Für mich war es irgendwie ein surreales Bild.

Unser erster Gedanke ging in die Richtung: Super, der erste Anlaufpunkt der Kaffeefahrt… Ein aufgezwungenes Gespräch, ein kurzer Smalltalk und dann geht’s ans Holzmasken- oder Steinfigurenverkaufen…

Aber wieder falsch!

Aus einer angrenzenden Hütte kam lächelnd eine junge schwarze Frau mit Rastas bis an die Hüften. Sie stellte sich uns als unser Guide für die Tour vor… Verwirrt schauten wir uns an, drehten uns rum und hörten einen Motor langsam leiser werden.

Bestimmt hatte er es in seinem beständigen Monolog einmal erwähnt, aber nach zwei Minuten hatte ich abgeschaltet und einfach nur noch an den passenden Stellen „oh, yes“ gesagt…

Wie dem auch sei, er war weg und wir standen mit der Kleinen und den zwei Damespielern alleine im Hinterhof.

Sie beschrieb uns die heutige Tour: Zu Fuß durch Soweto, dann nach Kliptown, danach zum Haus, in dem Nelson Mandela einmal gelebt hat und wieder zurück… Moment mal… ZU Fuß!?! Ja, zu Fuß!!! Ohne sicheren Touriebus!

Hierzu muss man anmerken, dass es sich bei Soweto nicht um ein Vorstadtghetto in der Größe der Pfingstweide oder Oggersheim-West handelt, sondern dass wir hier von einer 150 qm² großen Fläche reden, die sich knapp 4,5 Millionen Einwohner teilen. In einunddreißig Distrikte aufgeteilt ergibt sich eine eigene Infrastruktur neben der der riesigen Stadt, zu der es eigentlich gehört. Bis 2002 war Soweto unabhängig, seitdem ist es ein Stadtteil Joburgs. Auf der einen Seite gibt es Gegenden, in denen man richtig schicke Einfamilienhäuser vorfindet. Wenn man hier durch kommt, hat man das Gefühl, man befinde sich in einer amerikanischen Vorstadt. Gestutzte Rasen, gepflegte Vorgärten und der Familienvan in der Doppelgarage. Auf der anderen Seite gibt es Kliptown…

Zu Fuß gings zur nächsten großen Kreuzung und rein in ein Minibustaxi… Das war der Hammer!

Ein Bus aus dem Jahre 1960 von der Größe eines kleinen Sprinters, mit geplanten zwölf Sitzen und mehr Rost als Metall, wurde bis zur absoluten Belastungsgrenze mit Menschen vollgestopft und fuhr uns nach Kliptown.

Day3_Soweto_6Durch einen kurzen Zuruf unserer Führerin hielt der Fahrer mitten in einem Kreisel an und wir stiegen aus oder besser schälten uns aus dem Höllengefährt und uns schlug der leider vertraute Geruch von Müll, Elend und Fäkalien entgegen. Wir passierten einen Zaun aus massivem Stahl und standen auf dem Gelände einer Barackensiedlung aller unterster Kategorie.

Day3_Soweto_24Das Gebiet, so wurde uns erklärt, umfasst eine Schule und die Behausungen etlicher Menschen, die eigentlich schon gar nicht mehr unter die Armutsgrenze fallen. Hier sahen wir wieder Dinge, die man lieber nicht sehen möchte. Menschen leben in Häusern, nicht mehr wie Schuppen, gebaut aus allem, was man im Müll finden kann. Wellblech, Holz, Straßenschilder, Bruchsteine, alles mögliche. In viele dieser Baracken würde man nicht einmal einen Hund einsperren.

Wir durchquerten die verwinkelten Pfade, geführt von unserem Guide, die lächelnd alle Menschen grüßte, die uns begegneten. Und die Bewohner lächelten zurück, gaben uns die Hand, erzählten kurz mit uns und gingen weiter ihren Tätigkeiten nach.

Niemals trafen wir Menschen, die so freundlich, froh und unbefangen waren, wie die Bewohner dieses Molochs. Man müsste meinen, die Menschen die hier lebten, würden um das bisschen was sie haben kämpfen, doch sie leben in absoluter Harmonie miteinander und jeder versucht dem anderen zu helfen, wo er nur kann. Eine solch aussergewöhnliche Ruhe in einer solchen Umgebung erwartet man nirgends, doch man findet sie genau hier!

Eine Frau erzählte uns, sie wäre glücklich, wenn es Ihrer Familie, den Kinder und Ihr gut geht, mehr bräuchte sie nicht…

Day3_Soweto_14Schobi, du hattest Recht! Man muss sich Zeit nehmen und die Menschen „erleben“! Es gibt nichts besseres! Als ich diese Menschen sah, musste ich sofort an deine Worte denken.

Wir haben in dieser Siedlung so viele Menschen getroffen und soviel erlebt, dass es nicht in Worte zu fassen ist. Man kann es nur schwer verstehen, wenn man es nicht mit eigenen Augen gesehen oder selbst erlebt hat…

Weiter führte uns unsere Route nach Orlando West, dem Beverly Hills Sowetos (übrigens wieder mit so einem Höllentaxi!), wo früher Nelson Mandela lebte und in dessen Haus jetzt ein Museum eingerichtet wurde.

Wir kamen auch am Denkmal Hector Petersons vorbei, der am 16. Juni 1976 im Zuge eines Studentenaufstandes erschossen wurde. Hector war gerade mal 13 Jahre alt…

Auf unserem Weg sahen wir riesige Touristenbusse vor dem Haus Mandelas stehen und dachten an unsere Erwartungen des heutigen Morgens… Was es doch für einen Unterschied macht, bei wem man eine solche Tour bucht!

Zusammen liefen wir die Straße entlang, witzelten über die anderen Touristen und warteten auf unseren Fahrer, den unsere Führerin für uns organisiert hatte und der uns ins Apartheitmuseum fahren sollte… Als er um die Ecke bog, verabschiedeten wir uns von Ihr, gaben ihr noch ein reichhaltiges Trinkgeld für die abgefahrene Tour und stiegen ins Auto.

Nicht weit entfernt, knapp außerhalb von Soweto erhebt sich das Apartheitmuseum vor der Kulisse Joburgs. Schon am Eingang wird einem der Unterschied zwischen schwarz und weiß bewusst gemacht, denn es gibt einen Eingang für „white“ und für „non-white“.

Im Innern des Museums erfuhren wir viele Dinge über die Unterdrückung der Schwarzen, der Hinrichtung vieler Aufständiger und der Inhaftierung bis hin zur Freilassung Mandelas. In Bilder und Filmen wurde einem die bewegende Geschichte Südafrikas beeindruckend dargeboten. Eine knappe, hoch interessant, Stunde lang ließen wir uns von dem Museum in eine andere Zeit entführen.

Als wir das Museum verließen, wartete unser Fahrer bereits auf uns, um uns in unser Guesthouse zurück zu fahren.

Wild über den aufregenden Tag diskutierend, gingen wir schnell in einen nahegelegenen Supermarkt, um das Nötigste für unsere morgige Fahrt zu besorgen.

Wieder im Guesthouse angekommen, gingen wir duschen und zu einem Chinesen, der uns auf dem Heimweg aufgefallen war. Den gesamten Abend noch sprachen wir über den Tag, die Menschen, das Erlebte und wir dachten an die Worte unseres ersten Fahrers, der uns prophezeite, dass wir diesen Tag nie vergessen werden…

2 Antworten auf „Tag 3 – Johannesburg (01.03.2011)“

hallo ihr zwei,

wo bleibt der nächste tagesbericht, ich warte schon 🙂

wünsche euch beiden noch viel spass, ist echt spannend eure erlebnisse zu lesen. ihr könntet ein buch schreiben:-)

viele grüsse
tanja

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